Verflogen

Wenn ich euch früher zum Flughafen gebracht und einer Stewardess übergeben habe, damit ihr Euren Vater wenigstens an einigen Wochenenden sehen konntet, war in mir immer ein schlimmes Gefühl. Eines des Abschieds, des Abgebens in fremde Hände, dem Vertrauenmüssen in fremde Menschen und das Gefühl des Versagens. Das Versagen als Eltern, weil wir es zusammen nicht geschafft hatten. Weil ich den Schritt gewagt hatte, zu gehen, aus unserer gemeinsamen Vergangenheit und aus der vertrauten Heimat. Ein Weg, der auch viel Leid mit sich brachte und zu wenig Zeit. Für euch und mit euch. Für die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben, die ich immer nur beschützen wollte. Und es vor vielen Dingen nicht konnte. Ich habe so unglaublich viel verpasst und falsch gemacht. Eine Einsicht, die ich erst im Rückblick verstanden habe. Viel zu spät. Und dennoch muss wohl auch vieles richtig gelaufen sein. Denn ich bin so unglaublich stolz auf euch! Auf euch und den Weg, den ihr geht.

Wenn ich kann, mache ich heute alles möglich, um jede Minute mit euch auszukosten. In der Früh, am Berg, im Auto, am Telefon, auch mitten in der Nacht, wenn ich eine angetüddelte Stimme sagen höre, dass sie mich lieb hat und auch der ebenso hackevolle Kumpel gleich noch ne viertel Stunde Gespräch haben möchte, wenn ihr mit mir zum x-ten Male Wizard spielt, weil nur ich das liebe, Hotelzimmer mit Geschenken herrichten lasst, Kosten-Nutzen-Rechnungen aufstellt von wichtigen Entscheidungen, wir zusammen auf Gespensterdorfpartys und andere bis morgens gehen (weiß, du mochtest es), wir lachen und blödeln. Dann ist das das schönste Geschenk für mich und alles, was ich jetzt tun kann.

Und wenn ich euch heute zum Flughafen bringe, dann bin ich auch traurig, weil die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes nur so verfliegt, aber diesmal ist auch das Gefühl der Dankbarkeit und Freude da, der Vorfreude auf euch!

Quelle: P. Harz (privat)