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Unendlich

  • Autorenbild: Anja Harz
    Anja Harz
  • 2. Nov.
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Nov.

Ich schiebe die Renovierung eines letzten Zimmers schon ein paar Wochen vor mich her. Obwohl ich weiß, dass bauliche Mängel nach einem Wassereinbruch unbedingt behoben werden sollten.

Nach einem sehr frühen und wunderschönen Strandspaziergang ziehe ich mit einer Tasse Kaffee in der Hand probeweise ein paar kleine Streifen der alten Tapete ab. Wider Erwarten ergibt sich die Wandbeklebung ohne großen Widerstand.

Ich stelle die Tasse ab und hole meine Kopfhörer. Musik ist für mich wie Balsam für die Seele. Und davon brauche ich momentan etwas mehr.

Ich drehe laut auf. Die Welt außerhalb von mir verschwindet und ich beginne, die nächsten Tage vor mich hin zu werkeln. Ohne irgendeinen Gedanken aufkommen zu lassen.

Tapeten ab, Wände werden gereinigt, Blocker aufgetragen, Decke geweißelt, Lampen getauscht, neue Tapeten gekauft, an die Wand gebracht, gesungen, Finger aufgeschnitten, Fußboden zugeblutet, weitergesungen, Leisten gesägt und geklebt, gewischt, geschwitzt, Möbel geschoben, Dinge aussortiert… Ohne ein Wort.

Und mitten im Chaos steht da plötzlich jemand.

Einfach so. Mit einem großen Karton und Schleife: „Für dich.“

Vermutlich ziemlich sinnlos schauend, mit Farbe und Kleister in den Haaren, packe ich aus. Ungläubig starre ich abwechselnd auf den Mann neben mir und auf ein Bild. Ein großes. Und nicht irgendeins. Sondern mein absolutes Lieblingsfoto.

Wenn sich jemand merkt, was mich bewegt und sich dann noch die Mühe macht, dieses Foto extra für mich mit Erlaubnis auf Leinwand zu ziehen und ich später sogar noch Datum der Aufnahme und GPS-Koordinaten dazu bekommen werde, dann berührt mich das unglaublich tief.

Ich will nicht, aber ich weine.

Die letzten Wochen waren nicht ganz so leicht. Und ich habe manchmal wirklich sehr an mir gezweifelt. Hab mich neu sortiert, Menschen verloren, und konsequente Entscheidungen getroffen, die alles andere als leicht, aber letzlich ehrlich für mich selbst waren. Vielleicht sogar zum ersten Mal in meinem Leben so bewusst.

Auf Zehenspitzen drücke ich dich ganz fest. Wie so viele Momente, möchte ich auch den für immer speichern.

Einer auf Leinwand wird es jetzt jedenfalls sein und an meiner frisch renovierten Wand seinen Platz finden.


Maybe there will be no distance if we feel each other.


ree

Bildquelle: B. Kröger

 
 
 

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