Für mich als musiksüchtige Person geht eigentlich ohne Takte, Summen, Trällern und elektronische Geräte, die dies in sämtlichen Zimmern, die bewohn- und sonstig nutzbar sind, hevorzaubern einschl. beim Kilometerschrubben im Auto, zu Fuß oder Fahrrad, beim Duschen oder tief versunken über einem nie enden wollenden Stapel Arbeit, überhaupt gar nichts! Nahezu jede CD, LP, MC meines musikalischen Besitzes ist verbunden mit Personen und Ereignissen jeder Art. Titel, wenn genial, aber unbekannt, wird so schnell wie möglich, irgendwoher ausspioniert. (Am Ende kennt ihn meist nur Kollege Karl :-) ).
Ich verbringe zwei Tage um und mit Yves. Die letzten Erinnerungen liegen 15 Jahre (in diesem Punkt sind wir uns jedoch nicht ganz sicher) zurück und beinhalten lediglich freche Sprüche, gemeinsamer Discobesuch, eins, zwei, viele Zigarettenschachteln, Moped und 'ne coole Plattensammlung. Cool und frech sind definitiv geblieben. Und dann taucht da so ein Titel auf, den ich zwar halbwegs textsicher begleiten kann, aber aus irgendeinem Grund die dazugehörige Band nicht kenne. Ohnehin etwas unsicher (nach außen natürlich nur mit großer Klappe...), frag ich erstmal nicht. Aber anscheinend steht mir das Fragezeichen mit Punkt im Gesicht. Nach kurzem, zielsicheren Musiktest meines Gegenübers ist meine Wissenslücke klar enttarnt. Titel: "Sometimes" von And One. Dass er maximal aus den 90ern stammt, schiebt sich fast noch selbständig aus meinem Langzeitgedächtnis in die Vorderreihe. Ich lasse meine Blicke durch geschmackvoll, modern, gemütliche Innenstadtbehausung schweifen, sehe mir die CD-Sammlung an, erkenne viele davon wieder und lande am Ende bei Depeche Mode an Wand. Genießend rauschen die nächsten 48 Stunden an mir vorbei.
Irgendwann sitze ich wieder in meinen vier Wänden und denke an die verbrachten Tage. An den Menschen, den ich im Grunde noch immer nicht kenne. An die letzten 15 Jahre. Ich hole die Kiste meiner Vergangenheit aus dem Keller, total verstaubt und ewig nicht geöffnet. Bücher, Partyreste, Exfreundreste, Fotos mit FDJ-Hemd und einer Person darin, die zum 40. Jahrestag der DDR in Berlin gar nicht daran dachte, eine Reihe zu bilden, sondern mit tausenden anderen Jugendlichen aus allen Kräften "Gorbi" brüllte, MCs von Roxette, OMD, Madonna, bis... Depeche Mode! Wie konnte ich diese Phase nur vergessen: meine schwarze Lederjacke, zig-Mal "Here is the house" zurückspulen (zur Sicherheit für teures Geld von P. eine Zweit-MC ergattert) und Tilo, der Freund von Jana K., der als totaler Fan und Dave-Kopie ein absolut schnuckeliger Hingucker war. Vor ein paar Tagen konnte ich nicht einmal genau sagen, welche DM-Zusammenfassung der letzten Jahre ich im Auto eigentlich gehört hatte...?!
Musikalisch aufgeklärt, grinse ich vor mich her und merke, dass sich bei dem kurzen Wiedersehen jedoch noch etwas anderes eingeschlichen hat. Vielleicht lag es an der Region, dem lang vermissten Gefühl von Vertraut- und Zusammengehörigkeit von Familien(feiern), dem Hauch von Osten, zu Hause, Wurzeln und einem ganz eigenen Lebensgefühl, das ich vorübergehend vergaß, aber tief in mir ist und bleibt, weil ich genug davon mitbekommen habe. Ein Gefühl, das trotz Einheit wohl immer anders sein wird und einem niemand nehmen kann...!!!
Ich besorge mir "Black Celebration", kläre meinen jungen Kollegen Alex über Kult auf, stecke ihn an, nehme CD und überlasse ihm DVD, die für super befunden wird. Hinzu kommt (würde ich natürlich nie zugeben, das sähe ja wie Nachahmen aus...) CD mit nacktem Mann drauf, wobei mein Nachwuchs vor Schreck bei Kauf den frühzeitigen Auszug ankündigt. Aber "Nordhausen" muss nun eben auch zu den Erinnerungen...
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