Zwar stehe ich zoologischen Gärten eher skeptisch gegenüber, da kein noch so groß und modern angelegtes Gehege den von der Natur geschaffenen Lebensraum eines Tieres ersetzen kann und der Mensch sich, wie so oft, ausschließlich dem eigenen Zwecke dienend nimmt, was er will. Doch auf Drängen des eigenen und befreundeten Nachwuchses gebe ich nach und erkunde bei herrlichstem Sonnenwetter alles, was auf Flossen, Flügeln, vier und zwei Beinen daherkommt. Am Gorillagehege befehle ich die gewerkschaftliche Pause für Erziehungsberechtigte und setze mich auf eine von zwei Bänken. Im nachmittäglichen Schatten hinter einem halb vertrockneten Busch sitzend schauen mich zwei traurige Augen einer alten Gorilladame an. Ich mag diese Art Affen ganz besonders. Es ist ihr fast menschlicher tiefer Blick, der mir immer unter die Haut geht und mich daran erinnert, warum ich nicht gern hier bin. Da erwecken andere Wesen mein Interesse: An einer der vielen Informationstafeln, an denen sich auch mein Nachwuchs erfreulicher Weise gerade weiterbildet, steht eine Familie. Zwei Eltern, geschätzte Mitte Vierzig und vier Kinder, etwa 4-8 Jahre alt. Alle sechs safariähnlich bekleidet, voll behütet, jeder mit mehreren Zetteln ausgerüstet und den mit Lebensmitteln bepackten Bollerwagen im Schlepptau. Schnell schaue ich, ob auch der schielende Clarence gleich um die Ecke biegt. Frau Mama steht ehrfürchtig hinter ihrem Mann, der die Familie laut lesend über Herkunft, Vermehrung und Fressverhalten von Gorillas informiert. Plötzlich erhebt der Vater die Stimme und richtet sie an eine seiner jüngeren Töchter, die mit ihren kleinen Händchen schwitzend ihren Hut aus dem Gesicht schiebt und mit aller Mühe die Zettel umklammert: "Madelaine, du musst schon aufpassen, sonst weißt du nachher wieder deine Frage nicht!" Mir wird schlecht und ich überlege kurz, wer momentan das größere Übel trägt: Madelaine oder die hübsche Gorilladame?! Da kommt mein Nachwuchs und berichtet mir stolz, dass es ihnen gut gehe, schließlich müssten sie nicht wie für Gorillas üblich, jeden Tag ca. 1-2 Stunden für den Bau des Schlafplatzes aufbringen, der sich tatsächlich nie an der gleichen Stelle befindet. Man wäre also mehr als zufrieden mit den häuslichen Pflichten und dem Ikea-Hochbett mit Dauerstandplatz. Lernen geht wohl auch so...
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